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Der alte weiße CIS Boomer ist es, der jetzt gefragt ist. Nicht in dem Sinne, die er im allgemeinen schätzt. Als Bewerter, als Nörgler, als Kritiker der Verhältnisse. Darin ist er gut, ganz offensichtlich. So gehts nicht, das hat keinen Sinn, so falsch war das alles nicht, jetzt übertreibt mal nicht. Das hört man aus der Gruppe der plus 50 nicht selten. Aber nicht seine meist skeptischen Stellungnahmen sind gefragt, sondern sein Einsatz, seine Bereitschaft, mitzumachen bei den notwendigen Veränderungsprozessen. Der aber will gar nicht gefragt sein. Der aber will keine Veränderungen seiner eigenen Erzählungen. Der ist sich sicher, dass er alles richtig gemacht hat und wehrt sich engagiert gegen andere Meinungen.

Die Generation Z und Y und all die, die noch folgen, lassen sich wenig oder gar nicht beeindrucken von diesen Erzählungen. Sie sehen das Ergebnis der Boomer-Aktivitäten und wissen: Was immer da genau passiert ist, spielt keine Rolle mehr. Es muss schnell anders werden, ansonsten haben wir keine Zukunft.

Dieser Konflikt, dessen Dimensionen sich erst langsam offenbaren, soll Haupthema dieses Blogs sein. Denn wer, wenn nicht die Boomer selbst, sind nun aufgerufen, sich aktiv zu zeigen und wertvolle Beiträge zu leisten zu den großen Veränderungen, die jetzt nötig sind. Ich gehöre dazu, ich bin Bestandteil des Systems, das sich viel zu lange in der Illusion von Wachstum wohlig aufgehalten hat, das von Beginn an auf die Ausnutzung benachteiligter Staaten und ausgebeuteter Arbeiter:innen angewiesen war. Ich habe es gesehen, darüber diskutiert, es gab hellsichtige Momente, die Veränderungen hätten auslösen können, müssen. Aber man zog weiter auf dem Weg in die Katastrophe.

Es ist unwichtig, ob es nun womöglich schon zu spät ist. Darum kann es nicht gehen. Auch unbedeutend ist, ob wir bei jeder Maßnahme sicher sein können, dass sie sich starkt genug auswirkt. Denn eines steht fest: Wenn wir nichts tun, laufen wir auf einen kaum beschreibbaren Abgrund zu. Der sich schneller auftut als wir es uns wünschen würden. Es darf aber nicht darum gehen, die Geschwindigkeit auf diesem Weg zu drosseln. Denn das ändert nichts an dem Absturz, er käme nur ein wenig später. Wir müssen umkehren, nur das hilft und nützt.

Das ist aber verdammt schwierig. Mich erinnert das ans Verlaufen in unbekannter Gegend. Einige Zeit schon ahnt man es, man erkennt nichts mehr wieder, man geht immer langsamer, wird unsicher. Aber man stoppt nicht, dreht nicht um, denkt immer mit Schrecken an die bereits zurückgelegte Strecke und will auf keinen Fall all diese Kilometer noch einmal bewältigen. Also läuft man weiter, in die falsche Richtung, man stapft voran, das Gefühl wird immer schlechter, aber man legt keine Wende hin. Bis dann irgendwann wirklich klar ist: Ich bin nicht da, wo ich sein will. Es hat keinen Sinn mehr, ich muss die Richtung ändern. Es bedarf fast übermenschlicher Kräfte, sich den Irrtum einzugestehen und die notwendige Konsequenz zu ziehen.

Wir gehen im Moment noch nicht zurück. Wir gehen, zugegeben, deutlich langsamer, aber diese Geschwindigkeitsreduzierung reicht nicht aus. Wir scheuen den harten Blick auf eine Realität, die man solange verdrängen kann, wie sich die negativen Auswirkungen auf das eigene Leben als recht harmlos, ja, kaum vorhanden erleben lassen. Dieser Zustand aber wird nicht mehr lange halten. Mal ganz abgesehen davon, dass diese Auswirkungen in anderen Teilen der Welt schon wesentlich schmerzhafter spürbar sind. Die Katastrope klopft nicht mehr länger leise an, sie ist präsent, man kann aber in den reicheren Ländern weiterhin so tun, als sei alles nicht so schlimm, als ginge es doch immer irgendwie weiter.

Ich bin ganz überzeugt davon: Gerade ich als alter weißer CIS Mann habe die Aufgabe, ja, die Pflicht, den nachfolgenden Genberationen jede Unterstützung anzubieten, damit wir den Weg beenden und einen neuen finden oder konstruieren. Ich gehöre zu den Boomern und habe in jüngeren Jahren mit dem berühmten Zitat „Wir haben die Erde nur von unseren Kindern geborgt“ gegen Atomkraft, Doppelbeschluss, Endlager und Startbahnen demonstriert. Nun aber wird es wirklich Zeit, diesen Satz, der einem American Native zugeschrieben wird, zu leben.